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Naumburger Straße

2017 | KFW Award 2. Preis

Umbau, Sanierung und
Umnutzung der Gebäude
Naumburger Straße 40

Auftraggeber:
GbR Naumburger 40
Ort: Naumburger Str. 40, Leipzig
Fertigstellung: 2016

Fotos: Michael Moser

Charakteristik der Substanz / Bauliche Situation

Das Grundstück zwischen der Naumburger Straße und den ehemaligen Gleisanlagen des Plagwitzer Güterverkehrs ist Zeugnis der Besonderheiten der gründerzeitlichen Wohn- und Industriearchitektur Leipzigs. Ab 1898 als Büroausrüstungsfabrik erstellt, dienten die Gebäude seit den 30er Jahren der metallverarbeitenden Industrie.

An der Naumburger Straße zieren Betonornamente neben gelben und grünen Klinkern die Jugendstilfassade des fünfgeschossigen Vorderhauses. Hinter der hochwertigen Fassade befinden sich im Erdgeschoss des Vorderhauses die ehemalige Chefetage und 8 Wohnungen von Beletage bis zu Arbeiterwohnungen in den Obergeschossen. Die vorgefundene Originalsubstanz der Gebäude, wie Deckenstuck, Wandvertäfelungen, Bleiglasfenster und Altbautüren, bereichert auch nach der Sanierung das zeitgemäße Wohnen.

Hinter der Tordurchfahrt des Vorderhauses eröffnet sich ein Hof, der von roten Backsteinfassaden umgebene Innenhof. Die zu DDR – Zeiten entstandene, flächige Betonbefestigung wurde teilweise für Beete und Pflanzungen aufgebrochen und teilweise durch darunter vorgefundenes, historisches Pflaster als Wegeführung wieder ergänzt. In der dreigeschossigen Fabrikanlage, die das Grundstück mittig teilt, – backsteinern mit Betondecken und Gussstützen – boten die 250qm großen Hallen Freiraum für die Einrichtung großzügiger Loft- und Maisonett-Wohnungen.

Ein offener Gang quert das Mittelgebäude und führt in den hinteren Grundstücksteil, in dem industrielle Nebengebäude in teilweise ruinösem Zustand zu Gunsten gemeinschaftlicher Grünanlagen zurückgebaut wurden. Eines der Gebäude wurde zu einem Atelier umgebaut, ein anderes einfach als Freiluftzimmer und Partyraum belassen.

Der Prozeß

Gemeinsam mit den Auftraggebern, einer Baugruppe aus 10 Parteien, die 10 der 14 Wohneinheiten sowie das Ateliergebäude selbst nutzen, ist es in einem intensiven Planungsprozess gelungen, ein schlüssiges, homogenes Gesamterscheinungsbild für das gesamte Ensemble zu entwickeln. Bei der energetischen Sanierung der denkmalgeschützten Substanz und Umnutzung der Gewerbeimmobilien zu Wohnzwecken war es wichtig, den Charakter des Ortes zu erhalten und ihn als identitätsstiftendes Bindeglied der Hausgemeinschaft zu verstehen – trotz oder auch wegen der heterogenen Ansprüche der neuen Nachbarschaft. Gerade die bauliche Diversität der Wohneinheiten, die die jeweiligen Wohnvorstellungen der Parteien abbildet, erzeugt ein hohes Maß an Identifikation der Bewohner mit ihrem selbsteroberten Ort. Dabei wurde neben dem Wunsch nach gemeinsamen Freiräumen großer Wert auf private Rückzugsmöglichkeiten gelegt.

Für die Sanierung und Umbauten wurden die Materialien mit Respekt vor der vorhanden Bausubstanz und Verweis auf die Geschichte der metallverarbeitenden Industrie sorgfältig gewählt. So wurde beim Dachausbau des Vorderhauses, kontrastierend zu einer historischen Gaupe, die Dachlandschaft mit weißen, metallischen Formen neuer Gaupen und Dachterrassenbrüstungen ergänzt. Alle Wohneinheiten des Vorderhauses wurden mit großzügigen freitragenden Stahlbalkonen ausgestattet, die dem gleichen Motiv folgen. Dieses Bild vermittelt sich weiter in der ebenerdigen, offenen Querung des Fabrikgebäudes, in der eine neue Stahl- und Betontreppe die Wohnungen des Hinterhauses zentral erschließt.

Die Aluminiumwellblech- und Stegplattenfassade des Ateliergebäudes im Gemeinschaftsgarten löst sich von der historischen Substanz und referiert sowohl auf den industriellen Charakter des Gesamtensembles, als auch auf ein Gartenhausmotiv.

Durch gezielte architektonische Eingriffe mündet das Vereinen denkmalpflegerischer Belange mit dem Gebot der energetischen Sanierung und dem Ziel der Wiederbelebung historischer Industriearchitektur in ein integratives Nachbarschaftsleben einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

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